Bund-Länder-Finanzen: Wie eine Privatisierung von Autobahnen ausgeschlossen wird

Bund-Länder-Finanzen: Wie eine Privatisierung von Autobahnen ausgeschlossen wird

Bund-Länder-Finanzen: Wie eine Privatisierung von Autobahnen ausgeschlossen wird

Überlange Planung, schlechte Koordination, endlose Baustellen – häufig sind das die Gründe, warum es auf Bundesautobahnen und Bundesstraßen zu Stau kommt, Strecken nicht ausgebaut sind und der Zustand marode ist.

Das Problem: Bisher sind sechzehn verschiedene Bundesländer für Planung und Bau der Autobahnen und Bundesstraßen zuständig. Es kommt zu Kompetenzwirrwarr unter den Ländern und mit dem Bund und so zu Reibungsverlusten. Das soll sich ändern.

Bereits im Koalitionsvertrag ist vereinbart worden: „Angesichts der seit vielen Jahren bestehenden strukturellen Unterfinanzierung werden wir die Planung und Finanzierung unserer Verkehrswege durch eine grundlegende Reform auf eine neue, dauerhaft verlässliche und effiziente Grundlage stellen. (…) Zudem werden wir gemeinsam mit den Ländern Vorschläge für eine Reform der Auftragsverwaltung Straße erarbeiten und umsetzen.“

Nach langen Verhandlungen in der Bundesregierung und im Deutschen Bundestag hat das Parlament heute in 2./3. Lesung beschlossen: Mit der Gründung einer so genannten Bundesfernstraßengesellschaft soll von 2021 an der Bund die Planung, den Bau, den Unterhalt und die Verwaltung der Autobahnen und weiterer Bundesstraßen organisieren. Die Länder geben Befugnisse ab.

Das Ziel: Die bundeseigene Verwaltung in Form einer vollständig im Bundesbesitz befindlichen Gesellschaft mit beschränkter Haftung verspricht zügigere Baumaßnahmen und einen effizienteren Mitteleinsatz. Der Bund ist dann nämlich weniger abhängig von der Kooperationsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit der Landesstraßenbauverwaltungen, um seine Prioritäten bei den Verkehrsinvestitionen umzusetzen.

Außerdem wird der Lebenszyklus einer Bundesautobahn bzw. Bundesstraße in den Fokus gerückt. Bundesweit können Planung, Bau, Erhaltung und Betrieb aus einer Hand sinnvoller organisiert werden. Und die Transparenz, insbesondere bei Kosten und Abläufen, wird erhöht.

Im Rahmen der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen wird die Verfassung dahingehend verändert.

 

Banken kaufen Autobahnen? Nein!

Neben schnellerem Bauen, Planen, Erhalten und Betreiben verfolgten Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) und Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU) einen weiteren Plan: Sie wären bereit gewesen, bis zu 49 Prozent dieser Gesellschaft an private Investoren zu verkaufen. Damit hätten sich Banken, Versicherungskonzerne und andere institutionelle Investoren umfangreich an den Autobahnen und Bundesstraßen in Deutschland beteiligen können.

Die SPD-Fraktion hatte diese Ursprungspläne schon in einem ersten Schritt im Gesetzentwurf der Bundesregierung gestoppt. Im Grundgesetz ist nun klargestellt worden, dass alle Bundesfernstraßen im vollständigen und unveräußerlichen Eigentum des Bundes bleiben und auch die neue Infrastrukturgesellschaft zu 100 Prozent in staatlicher Hand sein wird.

Rechtsexperten verwiesen darauf, dass es trotz der beiden Privatisierungsschranken verdeckte Möglichkeiten für den Zugriff privater Investoren auf die Bundesfernstraßen gäbe.

Dem haben wir als SPD-Bundestagsfraktion während des Gesetzgebungsverfahrens im Deutschen Bundestag mehrere Riegel vorgeschoben. Mit zwei Grundgesetz-Änderungen und vielen einfachgesetzlichen Änderungen haben wir sichergestellt, dass der Regierungsentwurf hier weiter verbessert wurde, so dass auch theoretisch mögliche Hintertüren für eine Privatisierung fest verschlossen sind:

1.)        Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften wird in Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Damit ist klar: Auch stille Teilhaberschaften, Genussscheine oder andere Formen der verdeckten Beteiligung an der Gesellschaft sind ausgeschlossen.

2.)        Eingeschränkt werden die Möglichkeiten von sogenannten Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP), bei denen die öffentliche Hand für einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren private Dritte mit dem Bau, Erhalt und Betrieb von Bundesfernstraßen beauftragt. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“

Das bedeutet, dass nicht das ganze Bundesfernstraßennetz oder wesentliche Teile davon in einem Bundesland im Rahmen von ÖPP ausgebaut werden kann. Gesetzlich wird geregelt, dass Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) nur auf der Ebene von Einzelprojekten bis maximal 100 Kilometer Länge erfolgen, die nicht räumlich miteinander verbunden sein dürfen.

 

SPD-Fraktion schließt Türen zur Privatisierung

Manche Kritiker und manche Kampagne hat absurderweise gerade der SPD-Fraktion in den letzten Wochen unterstellt, mit den Grundgesetz-Änderungen würde sie die Türen für eine Privatisierung öffnen. Das Gegenteil ist richtig: Türen werden geschlossen, die bislang offen standen.

Das bestätigt auch der Bundesrechnungshof, der das Gesetzgebungsverfahren mit mehreren Berichten (aktuell vom 24. Mai 2017) begleitet hat.

Noch einige Punkte, die in diesem Zusammenhang sehr wichtig sind:

  • Die Gesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen gebannt.
  • Eine Übertragung von Altschulden auf die Gesellschaft wird ausgeschlossen.
  • Das wirtschaftliche Eigentum an den Bundesautobahnen und Bundesstraßen geht nicht an die Gesellschaft über, sondern bleibt beim Bund.
  • Mautgläubiger der LKW-Maut und der PKW-Maut bleibt der Bund. Die Gesellschaft darf das Mautaufkommen nicht direkt vereinnahmen.
  • Die neue Gesellschaft wird als GmbH errichtet und damit als juristische Person des privaten Rechts. Privatrechtlich heißt nicht Privatisierung. Deutschland organisiert zum Beispiel einen Großteil seiner internationalen Entwicklungshilfe über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die ebenfalls eine GmbH ist. Ist deshalb die Entwicklungshilfe privatisiert? Das ist natürlich Unsinn. Auch viele kommunale Stadtwerke sind als GmbH organisiert und werden trotzdem zu Recht der Daseinsvorsorge zugerechnet.

Darüber hinaus haben wir Sozialdemokraten Veränderungen durchgesetzt, die vor allem im Interesse der Tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegen, die heute in den Straßenbauverwaltungen der Länder arbeiten und die zum Bund wechseln sollen. Die neue Gesellschaft wird tarifgebunden sein, und die Überleitung soll im Rahmen eines Überleitungstarifvertrags erfolgen. Die Gewerkschaften sind hier voll an der Seite der SPD-Bundestagsfraktion. Verdi: „Die Interessen der Beschäftigten werden gesichert“.

 

Kontrolle durch den Bundestag

Zu guter Letzt war es uns SPD-Abgeordneten wichtig, dass die Reform nicht zu weniger demokratischer Kontrolle und Einflussnahme führt, sondern dass die Informations- und Steuerungsrechte des Bundestages gewahrt bleiben und ausgebaut werden. So bedürfen zum Beispiel der Gesellschaftervertrag und wesentliche Änderungen der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Abgeordnete des Bundestages werden im Aufsichtsrat der Gesellschaft vertreten sein.

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