In­ter­view: "Wir wol­len den Men­schen Si­cher­heit ge­ben"

In­ter­view: “Wir wol­len den Men­schen Si­cher­heit ge­ben”

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in der Schwäbischen Zeitung vom 3. Februar zur Frage, wie seine Partei bei der Bundestagswahl punkten will

Heutzutage lässt sich die politische Landschaft nicht mehr in "links" und "rechts" einteilen, sagt SPD-Fraktionschef Oppermann. Foto: Wolfgang Heinzel

Biberach - Thomas Oppermann, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, setzt darauf, dass die SPD mit Martin Schulz als Kanzlerkandidat die Machtverhältnisse in Deutschland verändern kann. Ziel der SPD sei es, bei der Bundestagswahl "stärkste Kraft zu werden", sagte Schulz bei einem Gespräch mit Claudia Kling in Biberach. Dort trat er auf Einladung von Martin Gerster beim Neujahrsempfang der Kreis-SPD auf.

Herr Oppermann, die Kandidatur von Martin Schulz hat der SPD neue Parteimitglieder und ein Umfrageplus gebracht. Wie lange und zu welchen Höhen wird das die Partei tragen?

Martin Schulz begeistert und erreicht auch diejenigen, die nicht mehr an die Politik glauben. Deshalb kann er viel für die SPD, aber auch für das Land bewegen. Denn bei der nächsten Wahl geht es auch darum, verlorengegangenes Vertrauen in unsere parlamentarische Demokratie zurückzugewinnen.

Wähler brauchen neben Vertrauen auch Orientierung. Wenn es bei der Bundestagswahl für Rot-Rot-Grün reichen sollte, heißt dann der nächste Innenminister Oppermann und die Finanzministerin Wagenknecht?

Wir gehen ohne jede Koalitionsaussage in den Wahlkampf. Unser Ziel ist es, stärkste Partei zu werden. Wenn die Wähler so entscheiden, dann müssen sich die möglichen Partner an unseren programmatischen Vorstellungen orientieren. Nach der Wahl sind wir bereit, mit allen Parteien zu sprechen - außer mit der AfD.

Wird sich die SPD weiter nach links bewegen, um sich von ihrem Koalitionspartner in Berlin, der Union, abzusetzen?

Die SPD ist eine Volkspartei der linken Mitte. Wir wollen mit unserem Programm die hart arbeitende Bevölkerung ansprechen. Menschen, die Verantwortung übernehmen für sich selbst, am Arbeitsplatz, in der Familie oder im Ehrenamt. Um diejenigen geht es uns, und nicht darum, wo wir in der politischen Geografie verortet werden. Wir wollen den Menschen in diesem Land und in diesen schwierigen Zeiten - ich sage nur Globalisierung und Digitalisierung, aber auch Brexit oder Trump - Sicherheit geben.

Sie denken also nicht in traditionellen Links-Rechts-Kategorien?

Diese alten Links-Rechts-Kategorien eignen sich heutzutage nicht mehr, um politische Gegensätze zu beschreiben. Sahra Wagenknecht findet zum Beispiel die nationalistische Wirtschaftspolitik von Donald Trump gut. Was ist da links, was ist da rechts? Vernünftige Argumente haben in diesem Fall beide nicht.

Wie geht es eigentlich Sigmar Gabriel? Das neue Hoch der SPD muss doch ein Tiefschlag für ihn sein.

Es ist doch auch sein Erfolg, wenn die SPD jetzt durch seine Entscheidung die Chance hat, um das Kanzleramt zu kämpfen. Für unsere Demokratie ist das von großer Bedeutung. Wir machen den Wahlkampf wieder spannend. Sigmar Gabriel hat sich für die SPD und im Interesse des ganzen Landes hintangestellt. Das ist ein Zeichen von menschlicher Größe und politischer Stärke.

Baden-Württemberg ist wie Bayern für die SPD ein schwieriges Bundesland. Warum und wie sollte sich das ändern?

Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg war es für die SPD sehr schwer, weil die Polarisierung zwischen CDU und Grünen stattfand. Das wird bei der Bundestagswahl nicht passieren. Martin Schulz und die SPD werden ein klares Alternativprogramm zur Union bieten. Im Grundsatz geht es darum, wie wir die Zukunft dieses Landes gestalten - wie wir die Demokratie verteidigen, unsere starke Wirtschaft erhalten und mehr soziale Gerechtigkeit schaffen.

Aber in Gegenden mit Vollbeschäftigung dringt die SPD dennoch nicht durch.

Das sehe ich anders. Gerechtigkeitsfragen hängen ja nicht nur vom Arbeitsplatz ab. Und: Auch Menschen, die Arbeit haben, blicken sorgenvoll auf die vielen gleichzeitigen Veränderungen, die wir im Augenblick erleben. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat prognostiziert, dass bis zum Jahr 2025 1,5 Millionen Jobs aufgrund der Digitalisierung verloren gehen werden. Gleichzeitig entstehen 1,5 Millionen neue Jobs. Wer von solchen Entwicklungen betroffen ist, muss die Gewissheit haben, dass er in der Zukunft nicht abrutscht, sondern vom Staat aufgefangen wird und die Chance bekommt, sich weiter zu qualifizieren für einen neuen Job.

Und mit welcher Strategie wollen sie der AfD im Südwesten, die bei der vergangenen Landtagswahl deutlich vor der SPD lag, begegnen?

Viele haben AfD gewählt, weil sie unseren Staat in der Weltfinanzkrise und in der Flüchtlingskrise als zu schwach und handlungsunfähig erlebt haben. Viele haben das als Kontrollverlust empfunden. Unsere Antwort darauf ist ein starker, handlungsfähiger Staat, der in der Lage ist, die Menschen zu beschützen - vor Alltagskriminalität und Terrorakten gleichermaßen. Ein Staat, der sich durchsetzt gegen internationale Konzerne, die ihre Gewinne in Niedrigsteuerländern verlagern und der Besteuerung entziehen. Und entschieden gegen kriminelle Schlepperorganisationen vorgeht, die allein darüber entscheiden, welche Flüchtlinge nach Deutschland kommen und welche nicht.

Sie kritisieren, dass sich der Staat als handlungsunfähig präsentiert hat. Aber Sie sind doch seit dreieinhalb Jahren Teil der Regierung. Warum haben Sie daran nichts geändert?

Wir haben ja gegengesteuert. Martin Gerster beispielsweise hat im Haushaltsausschuss maßgeblich dafür gesorgt, dass 5000 Stellen bei den Sicherheitsbehörden aufgestockt wurden. Diese Stellen sind vor allem in den vergangenen elf Jahren, seit denen die Union den Innenminister stellt, abgebaut worden. Das hat unsere Polizei geschwächt.

Befürchten Sie, dass die Präsidentschaft von Donald Trump das gesellschaftliche Klima auch hier vergiften wird?

Das darf nicht passieren. Das wäre eine Gefahr für unsere zivilisierte freiheitliche parlamentarische Demokratie. Wir wollen die westlichen Werte verteidigen. Unter Präsident Barack Obama schien es noch selbstverständlich zu sein, dass der Kern unseres westlichen Bündnisses, der Nato, die Verteidigung unserer liberalen Demokratie und der offenen Gesellschaft war. Unter Trump ist das nicht mehr selbstverständlich. Die große Errungenschaft des Westens ist die Stärke des Rechts. Trump will zurück zum Recht des Stärkeren. Wenn alle Regierungen so wie Trump vorgingen, hätten wir am Ende wieder Handelskriege und möglicherweise sogar wieder richtige Kriege unter Partnern, die seit 70 Jahren miteinander verbunden sind.

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