Länd­li­che Apo­the­ken se­hen ihre Exis­tenz ge­fähr­det

Länd­li­che Apo­the­ken se­hen ihre Exis­tenz ge­fähr­det

Oberschwabens Apothekensprecher und Bundestagsabgeordneter diskutieren über Gerichtsurteil-Auswirkungen

In der Schwäbischen Zeitung Bad Waldsee berichtete Wolfgang Heyer am 3. März:

SPD-Kreisverbandsvorsitzende Heike Engelhardt (v.r.), Bundestagsabgeordneter Martin Gerster und Apotheker Florian Becker haben die Zukunft der Apothekenlandschaft in Oberschwaben im Blick. Foto: Stefanie Isenko.

Bad Waldsee - Die ländlichen Apotheken sehen sich massiv bedroht. Der Grund: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied im Oktober 2016, dass sich Arzneimittelversandhändler aus dem EU-Ausland nicht mehr an die Preisbindung in Deutschland halten müssen, wenn sie verschreibungspflichtige Medikamente nach Deutschland liefern. Das führt aus Sicht der inhabergeführten Apotheken zu einem existenzgefährdenden Wettbewerbsnachteil. "Die Bedrohung ist sehr dramatisch und ich sehe für die nähere Zukunft ein riesengroßes Problem für uns Apotheker", sagt Florian Becker, Vorsitzender des Landesapothekerverbands Region Oberschwaben, und hat den Bundestagsabgeordneten Martin Gerster zu einem Gespräch in seine Apotheke nach Bad Waldsee eingeladen. Dabei fand er klare Worte.

"Wir können unser Angebot nur aufrecht erhalten, wenn wir die wirtschaftliche Grundlage dazu haben", erklärt Becker in seinem Büro. Ihm gegenüber sitzt Gerster. Er nickt. Becker ergänzt: "Wir fordern, dass der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten verboten wird." Es könnte nicht sein, dass ausländische Händler einen Vorteil gegenüber den inhabergeführten Apotheken im Land haben. Gerster nickt. Becker legt nach, beruft sich auf eine Studie von Abbvie, die rund 1000 Personen befragte, ob sie in Versandapotheken kaufen würden, wenn sie dort Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente erhalten. Das Ergebnis: 25 Prozent derjenigen, die bislang nicht in Versandapotheken kaufen, würden den Rabatt zum Anlass nehmen, dort zu bestellen. "Wenn mir diese 25 Prozent wegbrechen, dann kann ich eigentlich zumachen oder muss das Angebot ganz stark reduzieren", verdeutlicht der Bad Waldseer Apotheker mögliche Auswirkungen. Gerster nickt - und bezieht Stellung.

Zu Beginn erklärt der SPD-Bundestagsabgeordnete, dass die Apotheken unverzichtbar sind und eine tragende Säule des Gesundheitssystems darstellen. "Man muss natürlich schauen, dass die Internet-Anbieter sie über den Preis nicht ausstechen", betont Gerster. Die Frage sei, inwieweit dem Preiswettbewerb ein Riegel vorgeschoben werden könne. Skepsis äußerte Gerster ob des geforderten Verbots des Online-Versandhandels. "Ist das der richtige Weg, um die Apotheken vor Ort - insbesondere im ländlichen Raum - bestmöglich zu unterstützen?", fragte der in diesem Fall Nicht-Fachpolitiker, der dann im Haushaltsausschuss über die Mittelzuwendung mit entscheidet. Ob das Verbot nachhaltig überhaupt haltbar sei, gab Gerster ebenfalls zu Bedenken.

Schnelle Lösung gefordert

Becker, Sprecher für rund 240 Apotheken in der Region Oberschwaben, entgegnete, dass der Wettbewerb nicht ruinös werden dürfe. Der Apotheker machte deutlich, dass kein grundsätzliches Verbot für den Versandhandel erwirkt werden soll, sondern für jenen Online-Handel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Dieses Verbot sehe die Apothekerschaft allerdings als nahezu alternativlos an. "Die Entwicklung muss schnell gestoppt werden", mahnte Becker eindringlich und machte darauf aufmerksam, dass es in anderen europäischen Ländern ein entsprechendes Verbot gebe, das auch Bestand habe. Eine schnelle Lösung sah Gerster nicht. Seine Begründung: In der aktuellen Legislaturperiode gebe es nur noch sieben Sitzungswochen, "da wird es mit einem neuen Gesetzesentwurf knapp".

Gerster brachte die Vergütung der Sonntags- und Notfalldienste ins Gespräch ein. Schließlich sei dieses Geschäft im Hinblick auf die weit auseinanderklaffenden Kundenzahlen für ländliche Apotheken lange nicht so lukrativ wie für großstädtische Apotheken, die von Patienten zu den Randzeiten wesentlich häufiger aufgesucht werden. Hier lohne sich eine Diskussion, so der Bundestagsabgeordnete. Auch eine Stärkung der ländlich gelegenen Arztpraxen führe zu einer Verbesserung der Apothekenlandschaft. Schließlich stellen die Ärzte die Medikamente aus, die die Patienten dann in unmittelbarer Nähe einkaufen wollen. Becker nickt.

Und so verfolgen der Politiker und der Bad Waldseer Apotheker das selbe Ziel für die kommenden Jahre. Apotheken müssen flächendeckend wirtschaftlich betrieben werden können, um den Patienten kurze Wege zu ermöglichen. Dennoch wurde Becker nicht müde, sein Anliegen unmissverständlich zu formulieren: Sollte der Vorteil für EU-Auslands-Versandapotheken Bestand haben, werde das Angebot vor Ort abnehmen. Gerster versprach, das Anliegen in allen weiteren Gesprächen einzubringen.

Hin­ter­grund: Aus­wir­kun­gen auf die Apo­the­ken

Für nicht verschreibungspflichtige Medikamente gelten in Deutschland seit 2004 freie Preise. Rezeptpflichtige Arzneimittel unterliegen aber einer strengen Preisbindung. Das heißt, dass sie in jeder Apotheke in Deutschland zu den gleichen Bedingungen angeboten werden müssen. Patienten brauchen im Krankheitsfall also keine Preisvergleiche zwischen den Apotheken anzustellen. Das Medikament auf Rezept kostet überall gleich viel. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied im Oktober 2016, dass Arzneimittelversandhändler aus dem EU-Ausland sich an die Arzneimittelpreisbindung nicht mehr halten müssen, wenn sie verschreibungspflichtige Arzneimittel nach Deutschland liefern. Das führt aus Sicht der Deutschen Apotheker zu einer Benachteiligung gegenüber ausländischen Anbietern.

Close